Die Leipziger Straßentheatertage - Rückblick der letzten fünf Jahre

 

Das waren die 

15.Leipziger Straßentheatertage 2022



Davide Gibbo Fontana

 

Martengo

Plagwitzer Ballettschule


Improtheater mit Valerie Habicht-Geels und Susanne Bolf

Gilad Shabtay

Theater Colombina

Knalltheater mit Nicolas Dreher

Fotos: Roland Friedel

 

Impro – Zirkus – Clown und Regen

Bericht 15.Leipziger Straßentheatertage

Ein Jubiläum

Was 2007 aus einer fixen Idee entstand, wiederholte sich nun zum 15. Mal. Einmal, 2019 wurden die Straßentheatertage ausgesetzt und dann 2020 vom Kulturamt Leipzig gefördert. Die Einfachheit (keine Banner, keine Bühnentechnik, keine Podeste, keine aufwändigen Flyer und sonstige Werbemaßnahmen) unterscheidet es nach wie vor von ähnlichen Straßentheaterevents. Gilad Shabtay meinte nach seinen Auftritten: Es ist ein besonderes Festival.

Die Zuschauer müssen dieses Festival entdecken und die Künstler müssen ihr Publikum erobern. Das macht es einerseits schwerer und andererseits ehrlicher.
Bei den 15.Leipziger Straßentheatertagen kamen wieder, und darüber freuen wir uns sehr, verschiedene Darstellende Künste zusammen. Von den Straßentheaterprofis Gilad Shabtay und Davide Gibbo Fontana, über die Improprofis Susanne und Valerie, bis hin zum Clownduo Theater Colombina, dem Leipziger Künstler Martengo zum Kinderballett der Plagwitzer Ballettschule. Es wurde getanzt, geclownert, improvisiert, jongliert, akrobatikt und spagatiert.

 

Der erste Tag

Los ging es planmäßig am Freitag. Die Wettervorhersage war anfangs der Woche beängstigend. Da hieß es, dass es durchregnen würde. Und so wichtig Regen derzeit auch ist, so ungünstig ist er für nicht überdachte Open Air Events.
Doch, zum Glück, es regnete nicht, das Wetter war angenehm warm, die mobilen Verkaufsstände separierten etwas den ersten Spielort (Hugendubel), trotzdem blieb genug Platz. Mit einem der Stargäste, jedenfalls war er schon auf nahezu allen bedeutenden Straßentheaterfestivals, nämlich Davide Gibbo Fontana, dem sympathischen Italiener, startete der Tag. Die ersten zehn Minuten waren noch schwerfällig, nur wenige Passanten blieben stehen, für Gibbo eine ungewohnte Situation. Dann legte er einfach los und nach und nach füllte sich der Kreis, bald waren rund 80 Leute um den Italiener versammelt. Der bot in seiner bunten Show Physical Comedy, Feuerjonglage, lustige Mitmachaktionen und brachte die Leute immer wieder mit überraschend absurd-komischen Aktionen zum Lachen. Beispielsweise schnappte er sich das Fahrrad einer Zuschauerin, verschwand, und kam dann auf dem Rad sitzend und rückwärtsfahrend wieder.
Ein fulminanter Start.
Danach kämpfte der Leipziger Martengo mit wenig Platz und wenig Zuschauern. Aber jene, die blieben hatten Spaß an seinen akrobatischen Mitmachaktionen (so stellte er sich ein umstehendes Kind auf seine Schultern), mit seinen inszeniert unperfekten Artistiknummern und mit seiner Leiternummer, die im letzten Jahr zum Geheimtipp wurde.
Dann kam er doch, der Regen und traf die kleinen Tänzerinnen und Tänzer der Plagwitzer Ballettschule. Aber sie zogen ihren für die Straße konzipierten Mitmachtanz, durch. Kreiselnd, wie ein Roboter, mit ausgebreiteten Armen, den Körper schüttelnd und mit eleganten Schwungbewegungen ließen sie die Herzen ihrer Eltern und einiger Beobachter höherschlagen. Tapfer, diszipliniert, wacklig und graziös animierten sie mit ihrer Tanzpädagogin Julia Veigel die Zuschauer, die inzwischen halbwegs geschützt unterm Baum standen, während die jungen Tänzerinnen dem Regen trotzten.
Und der, böse wie er war, verschwand kurz nach Ende der gelungenen Performance.
Dann kam der Star vom letzten Jahr, der in Israel geborene Alleskönner Gilad Shabtay. Innerhalb kurzer Zeit hatte er halb Leipzig um sich versammelt und tanzte, zauberte, jonglierte und gagte sich in die Herzen vieler, vieler Zuschauer. Erstaunlich waren seine akrobatischen Fähigkeiten, mit Leichtigkeit stand er auf seinen Händen, und sprang in den Spagat, und redete dabei so normal locker als würde er grad Kaffee trinken. Es war ein Genuss und eine Freude seine einstündige Show zu erleben. In allem, was er tat, brachte er seinen jüdischen Charme mit ein. So wurden seine Jonglage, seine Zaubereien und seine Zirkusnummern zu außergewöhnlichen Unikaten.
Nach der Show wollte man so sein wie der EinMannZirkus Gilad Shabtay.
Den Abschluss dieses gelungenen Tages machte wieder Gibbo.
Bei Sonnenschein ging es nach Hause. Zufrieden, inspiriert und mit Vorfreude auf den kommenden Tag.

 

Der zweite Tag

Improtheater, Clowns, Straßenstars und Regen. So könnte man den zweiten Tag betiteln.
Am Anfang lief alles nach Plan. Davide Gibbo Fontana glänzte, Die Improspielerinnen Susanne Bolf und Valerie Habicht-Geels erspielten sich ihr Publikum und improvisierten Geschichten von Hexen, Dinos und schönen Prinzessinnen. Was sich anfänglich noch als schwierig erwies, nur eine Handvoll Zuschauer blieb stehen, wurde bald ein Riesenevent. Ein großer Kreis versammelte sich um die beiden Spontankünstlerinnen. Und bei ihrer zweiten Show stapelte sich halb Leipzig um die einerseits technisch einfachste, aber auf der Straße schwierigste Form des Theaters: Improtheater, ohne Mikro, ohne Musik. Die beiden rockten es.

Nebenan war gleich danach Märchenzeit. Zwei Clowninnen, Christiane Stauffer und Tanja-Marie Streller, alias Theater Colombina spielten ihre für die Straße modifizierte Fassung vom Froschkönig. Und dabei regnete es. Um die beiden war ein hartnäckiger Kreis von Kindern und Eltern mit Schirmen versammelt. Der Regen wurde heftiger aber alle blieben. Pitschnass zogen die Clowninnen ihre sympathische Version des Märchenklassikers in 20 Minuten – das war das veröffentlichte Ziel, denn die Indoor-Variante dauert gewöhnlich 45 Minten – durch, brachten die Kinderaugen zum Leuchten und die Elternherzen zum Schmelzen. Witzig, temporeich und spontan war ihr Spiel. Wer ihnen länger zusah bekam unweigerlich ein Lächeln auf die Lippen.
Der Regen blieb und brachte den Plan etwas durcheinander. Gilad Shabtay setzte eine Show aus und holte diese 18 Uhr nach. Die Sonne kam wieder, die Zuschauer auch und die Freude in der Einkaufszone stieg erneut, und das spontan und nachhaltig.
Insgesamt gab es heute acht Shows auf der Petersstraße. Die Vielfalt an Zuschauern war imposant, von Kindern bis Rentner, Studenten bis Nichtstudenten … gefühlt amüsierten sich ALLE.
Ein, trotz erneutem Regen, gelungener Tag.

Der dritte Tag

Am Vormittag im Clara-Park am Spielplatz fanden die 15.Leipziger Straßentheater mit seinem Kinderprogramm einen würdigen Abschluss. Nicolas Dreher aus Bad Düben, der viele Jahre lang in Würzburg Improtheater-Erfahrungen sammelte und dort, zusammen mit seinen Kollegen das Kinderimproformat „Frag doch mal den Klaus“ entwickelte, spielte zusammen mit Clown Gerno Knall die Antworten auf Fragen wie: Warum ist die Banane krumm? oder Wieso sind Kokosnüsse rund? Die Antworten auf diese und ähnliche Fragen wurden von den beiden Improvisateuren zur Freude der rund 70 ZuschauerInnen getanzt, gedichtet und in komischen Geschichten gespielt.
Ein tolles Format, das, mit einem Augenzwinkern, statt gewöhnlicher Antworten völlig neue (absurde) Perspektiven auf das Wissen der Welt bereithält.

So hoffen wir und freuen uns schon drauf, dass es im kommenden Jahr die 16. Auflage dieses kleinen Festivals geben wird.


Rückblick 2021

Es waren wundervolle, erfrischend komische, verswingt verträumte Straßentheatertage

      

Bericht 14.Leipziger Straßentheatertage 2021

MiraMas und der Swing

Zum bereits 14. Mal bereicherten die Straßentheatertage die Leipziger Innenstadt. Das zweite Mal im September, das erste Mal zwei Tage lang nur auf der Petersstraße an zwei Plätzen. Das bewährte sich schon im letzten Jahr und das bewährte sich auch in diesem Jahr.

Los ging es am Freitag gleich mit einem Paukenschlag. MiraMas das Duo um Ron und Maria vom Artistenkombinat Leipzig, eröffneten mit ihrer Akrobatik-Swing-Nummer „Swinging in the rain“ das kleine Festival und legten die Latte gleich extrem hoch. Ein Paar trifft sich im Regen, begegnet sich anfangs skeptisch, nähert sich und tanzt schließlich mit Schirm, Mütze und Keulen. In dieser Nummer saß jeder Handgriff, nicht eine Keule fiel zu Boden, nicht ein Tanzschritt ging daneben. MiraMas, national und international erprobt, waren nicht nur technisch genau, sondern verbanden sich auf magische Weise mit dem zunehmend wachsendem Publikum und verströmten die Energie der 20er Jahre vor den Schaufenstern der Buchhandlung Hugendubel.

Alleskönner aus Israel

Gleich im Anschluss brillierte Gilad Shabtay. Der in Israel geborene und in Berlin lebende Künstler erwies sich als Alleskönner. Ob Diabolo, Messerjonglage, Zauberer, Comedy oder Akrobatik, Gilad beherrschte alles. Und bei all seinen Künsten hielt er engen Kontakt zum Publikum. Das lachte, staunte und staunte und lachte. Der sympathische Israeli erspielte sich eine neue Fangemeinde. Dieser Ein-Mann-Zirkus wurde zu einem großen Leuchtkeks, der es schaffte mit einem improvisiertem Mix seiner Künste die Leute zu inspirieren, statt sie mit der Fülle seines Könnens zu deprimieren. Kinderaugen, Frauenaugen und auch Männeraugen leuchteten.

In solchen Momenten lösen sich die Alltagsschwierigkeiten in Luft auf und es zeigt sich, am Beispiel von Gilad Shabtay, das Künstler sehr wohl systemrelevant sind, weil sie Glücksmomente und Lebendigkeit versprühen und so das Leben um ein Vielfaches bereichern.

Ein Jonglierball als Eiskugel

Die Compagnie Lapadou, nun schon zum vierten Mal mit dabei, dieses Mal allerdings solo, wegen eines, wie es Nils Klawon formulierte: „Babyprojektes“ spielte in gekonnter, weil professionell gelernter, Weise traditionell clownesk mit der Tücke des Objektes. „Ice-Cream“ hieß seine Show. Ein Kochlöffel und ein weißer Jonglierball landeten in Hose, Ärmel, Hut und schließlich aufeinander. Der Kochlöffel wurde zur Schaufel und der Jonglierball zur Eiskugel. Die Kinder lachten sich schlapp.

Nils Klawon, Diplom-ClownSchauspieler, begeisterte einmal mehr die Leipziger Innenstadt und am Sonntag das Spielplatzpublikum an der Rennbahn.

Der Mann in der Leiter

Martengo, alias Martin Eickmann, im letzten Jahr noch im Duo mit einer lateinamerikanischen Tanznummer, in diesem Jahr solo mit einer Leiternummer. Das zeigt seine Vielfältigkeit. Nicht nur beim Tanzen, auch auf, unter und in der Leiter machte er eine mehr als gute Figur und punktete neben seinem Geschick auch mit seiner Sympathie. In stoischer, ruhiger Manier a la Buster Keaton, dem Stummfilmkomiker der 20er Jahre, trottelte er balancierend und fallend auf der Leiter, mit der Leiter und in die Leiter und jonglierte nebenher noch mit fünf Bällen. Martengo wurde zu einem der Lieblinge der Petersstraße.

Straßenimpro inklusive

Während die zirzensischen Künste dominierten, bereicherte die Improgruppe All-Inclusive mit ihren komischen Improgeschichten mit einem erfrischend anderen Farbton das kleine Festival. Improvisationstheatershows werden sonst in Theaterräumlichkeiten gespielt, da wo sich die Aufmerksamkeit bündeln kann. All-Inclusive jedoch schafften das Kunststück sich auf offener Straße im hektischen Gewühl Gehör und Aufmerksamkeit zu verschaffen. Bei ihren Shows versammelten sich stets rund 50 Zuschauer, die nicht nur kurzweilig guckten, sondern die gesamte Show verfolgten. Und das spricht für die drei bis vier Spielerinnen des Ensembles.

Junggesellenabschied bei SwingingLE

Neben der Show „Swinging in the rain“ von MiraMas tanzte das Duo von Swinging LE um Theresa und Linda mit ihrer Show „Go around“ ebenfalls Swing, wenn auch auf zeitgenössische Weise. Mit Reifen, leisen Steppschritten und roboterartigen Moves ließen sie in ihrer Choreografie Spielraum für Geschichten um Zweisamkeit und Abstand. Stets mit einem Lächeln im Gesicht meisterten sie auch das Stören einiger junger Männer die stark angetrunken mittanzten, oder besser -torkelten. Die beiden handhabten diese unerfreuliche Intervention allerdings souverän, indem sie die Junggesellenpartygäste kurz einbanden in ihren Tanz und dann ignorierten, so dass die Männer recht bald verschwanden.

Auch so etwas gehört zum Straßentheater.

Anderweltiges von den Leipziger Nasen

Am Samstag brillierten alle erwähnten Künstler noch einmal. Zusätzlich traten noch die Clowns des Vereins Leipziger Nasen auf. Mit bunten Kostümen und einer Show, bei der scheinbar Gut gegen Böse miteinander verhandelte, lockten sie mit einfachen aber wirkungsvollen Mitteln eine große Traube Schaulustiger. Ihre Show leiteten sie mit clownesken Walkacts ein. Da flogen Seifenblasen und da lächelten sie mit ihrem Clownsgesichtern. Das steckte an. Unmerklich lächelten alle mit und nahmen Anteil an ihrer Performance bei der eine Spielerin mit weißen Flügeln nach und nach aufblühte und schließlich erst im Duell dann im Einklang zwei weiteren Buntflüglern (also zwei SpielerInnen mit dunkelroten Flügeln), die wie eine Mischung aus Vogel und Schmetterling wirkten. Bilder wie aus einer anderen, phantastischen Welt wurden geschaffen.

Die Leipziger Nasen brachten Farbe auf die Peterstraße.

Von Turmbauten und Einstürzen

Später war, wie schon im letzten Jahr, die Theatergruppe vom Theaterladen Selbst & Los mit ihrem Bildertheater „Bär, Fuchs und Eichhörnchen“ dabei. In ihrem kurzweiligen Stück ging es ums Streiten, ums Zerstören und ums Vertragen. Der Bär baute einen Turm (aus Pappkartons), den haute der Fuchs um, dann gab es Streit, das Eichhörnchen versuchte vergebens zu schlichten und baute dann einen Turm, den dann der Bär zum Einstürzen brachte, woraufhin sich Eichhörnchen und Bär stritten, bis schließlich der Fuchs einen Turm baute, den dann das Eichhörnchen umhaute… so ging es immer weiter. Jede Konstellation kam einmal zur Geltung. Am Ende versöhnten sich alle und tanzten gemeinsam. Der Spielspaß der zwei Spielerinnen Nadja und Kathrin und des Spielers Jonas übertrugen sich aufs Publikum. Einfache Versatzstücke genügten um die absurde Geschichte dreier Streithähne zu erzählen. „Das war aber knuffig“, sagte eine Zuschauerin. Schon im letzten Jahr waren die Spieler vom Theaterladen eine erfreuliche Besonderheit im Reigen der etablierten Straßenkünstler.

Leuchtaugen und Kinderlachen

Der Tag ging, wie schon der Vortag, mit Sonnenschein zu Ende. Kurz nieselte es leicht, aber sonst bleib es angenehm. Zwei richtig tolle Tage endeten. Die Künstler kamen am Ende des Tages zu einem Umtrunk in die MB zusammen, die dankenderweise ihre Räumlichkeiten für die Umzüge der Straßentheaterakteure zur Verfügung stellten.

Am Sonntag, dem letzten Tag der 14.Auflage der Lzp. Str.tage, war wieder Kinder- und Familienzeit im Klara-Park am Rennbahnspielplatz. Anfangs schien kaum jemand da zu sein. Doch glücklicherweise strömten dann die Kinder mit ihrem Eltern auf die Wiese und erlebten Clown Nils Klawon und Gerno Knall mit ihren unterschiedlichen, aber gleichhoch unterhaltsamen Shows.

So endeten die Straßentheatertage 2021, die dank der großzügigen Förderung des Kulturamtes Leipzig ihre Fortsetzung fanden mit leuchtenden Elternaugen und lachenden Kindergesichtern und der stolzen Bilanz von 28 Shows mit rund 3000 Zuschauern.

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13. Leipziger Straßentheatertage
vom 11. bis 13.September 2020

Bericht 13.Leipziger Straßentheatertage 2020 vom 11. bis 13.September 2020

Mit heißer Nadel

Alles war gefühlt kurzfristig. Nachdem die Straßentheatertage im letzten Jahr nicht stattgefunden haben, wollen wir es in diesem Jahr wieder probieren. Wir verlegten, kurz vor Corona, den Zeitraum auf September. In den vergangenen Jahren fand das kleine Festival stets – in den letzten Jahren Anfang im Juni – und in den ersten Jahren im Juli statt.

Dann kam überraschen die Zusage zum Förderantrag vom Kulturamt Leipzig.

Im Laufe der letzten Jahre haben viele Künstler aus Europa wegen einer Teilnahme in Leipzig angefragt. Die wurden gezielt angeschrieben, über die Konditionen aufgeklärt und dann letztlich eingeladen. So wurde es überraschend international

Aus Freiburg kam der Australier Julien Bell alias Ernest Magnifico mit seiner Stuntshow die er schon seit 20 Jahren auf der ganzen Welt spielt. Aus Wien, wenn auch in Leipzig seit kurzem lebend, die Österreicherin Daniela Mitterlehner, und aus Chile die Kompanie Sipo, zumindest der weibliche Teil davon, der andere der Kompanie Sipo ist Leipziger. Flo Teller, alias Zipano, schon mehrfach einer der Festivalhöhepunkte sagte zu, und zum dritten Mal die Compagnie Lapadou aus Darmstadt, das Duo CamüVelü aus Erfurt, dazu mit einem Auftritt das Ensemble vom Knalltheater. Zu diesen professionellen Künstlern reihten sich noch drei Spieler der erfahrenen, vielfach gereiften und spielerfahrenen Improtheatergruppe All-Inclusive – sie waren auch schon bei den allerersten Straßentheatertagen 2007 dabei – und kurzfristig noch die integrative Theatergruppe vom Theaterladen Selbst&Los.

Trotz weniger Wochen wurde alles vorbereitet, soweit es ging: Buchungen, Verträge, Auftrittsplan, Unterkünfte, Pressemitteilung, Plakaterstellung und -verteilung.

Regelmäßige Posts auf der Knalltheater-Facebookseite und der Seite des Veranstalters Landesverband für Amateurtheater Sachsen e.V. (LATS e.V.) verbreiteten die Nachricht vom Stattfinden des Festivals so gut es ging.

Für einige Künstler war es nach Monaten Corona-Zwangspause wieder eine Möglichkeit ihrer Berufung und Leidenschaft nach zu gehen.

Der erste Tag Freitag

In den letzten Jahren lief der Donnerstag stets sehr schleppend an, so beschlossen wir erst am Freitag, am beginnenden Wochenende mit dem Festival zu beginnen. Dafür jedoch mit längeren Auftrittszeiträumen.

Auf der Grimmaischen Straße auf zwei Spots starteten die Events. Den Auftakt machten, auf Höhe der Uhr (Höhe Buchhandlung) CamüVelü mit ihrer Show aus Mimenkunst und Reifenartistik. Eine Art leblose Puppe wurde vom Mimen ausgepackt und fing immer dann, wenn Musik lief an mit ihren Reifen zu tanzen. Mit ihrer Show lockten sie eine große Traube an. Ebenso wie Zipano mit seiner Show, eine Mischung aus spontaner Comedy, Akrobatik, Artistik und allerlei absurd-komischer Zauberkunst. Die Traube an begeisterten Zuschauern war bei Flo Teller so groß, dass sich die Passanten stauten.

Eine Premiere feierte die Compagnie Lapadou mit ihrem Solostück der Clownin Tine Florine, alias Mira Schubert, Concerto Grande. Eine Clownin will ein großes Konzert dirigieren, aber, wie das bei diesen lustigen Figuren halt so ist, ihre fliegen die Notenblätter in der Gegend herum, der Stuhl wird zur Hürde, die Zuschauer verstehen ihre Anweisungen falsch, immer läuft was schief, bis, endlich, es dann zum Höhepunkt kommt, der komischerweise, offensichtlich belanglos daherkommt. Die Kinder und so mancher Erwachsene hatte seinen Heidenspaß. Der Kenner sah in dieser ClowninTalentin eine Erbin der großen Gardi Hutter.

Der andere Ort am Freitag, etwas weiter Richtung Augustusplatz, erwies sich als wesentlich schwerer bespielbar. Der Australier Julien Bell, alias Ernest Magnifico kämpfte um die Aufmerksamkeit der Zuschauer, ebenso wie Daniela Mitterlehner, bei der nur eine Handvoll stehen blieben. Tapfer und gekonnt schlugen sich die Improvisateure von All-Inclusive. Auch deren Zahl an Zuschauern blieb übersichtlich, aber die Freude ihres, vorwiegend sehr jungen Publikums, war lautstark zu vernehmen. Mit einer klassischen Improshow, in der unter anderen ein Staubsauger zum Dreh- und Angelpunkt für komische Beziehungskonflikte wurde, begeisterte einen kleinen, aber beständigen Kreis an Interessierten.

Die Kompanie Sipo verlieh den Straßentheatertagen eine tänzerische Note. Da stimmte der Rhythmus, die Choreografie, das Spiel und die Eleganz der Bewegungen. Der chilenischen Tänzerin des Duos, Elena, sah man ihre professionelle Tanzausbildung und -praktik deutlich an, während ihr Partner, Martin, mit bis zu sechs Bällen fehlerlos jonglierte.

Zu ihrem Publikum kamen dann auch der als Weltstar angekündigte Julian Bell. Seine zweite Show spielte vor der Uhr, da wo es an diesem Tag bei jeder Show viel, bis überviel Publikum gab. Ebenso wie Daniela Mitterlehner, die Schauspiel mit Jonglage verband und ihre Ballnummern mit kleinen Geschichten über Mann und Frau untermalte.

Den Schlusspunkt setzte wieder die Kompanie Sipo. Es dämmerte schon, die Zuschauer wurden weniger und es endete ein durchaus gelungener erster Tag. Die Erkenntnis welche unterschiedlichen Voraussetzungen Auftrittsorte, die weniger als 100 Meter auseinander liegen, haben können, werden wir für die kommenden Jahre berücksichtigen.

Der zweite Tag Samstag

Was tags zuvor noch anklopfte, war nun da: das Wochenende. Im Verhalten der Passanten zeigt sich dies sehr deutlich. Sie gucken wesentlich interessierter, scheinen viel mehr Zeit zu haben, und wirken allgemein entspannter.

Die Comgagnie Lapadou machte den Auftakt. Diesmal wieder im Duo mit ihrem Stück Kissing me softly. Die Wiese am Hugendubel war die optimale Kulisse für die aufkommende Festivalsstimmung. Hunderte Leute blieben stehen, oder setzten sich, staunten, lachten und schienen schlichtweg dankbar über die Theaterkunst die das Clownduo und danach das Duo CamüVelü lieferte. Die Höhepunkte gaben sich an diesem Tag die Hand. Ob Zipano oder Ernest Magnifico. Die dramaturgisch je gut durchdachte Dramaturgie der Shows mit Elementen aus Mitmachaktionen, kleinen Nummern, spontanen Einlagen und durchinszeniertem Programm funktionierten an diesem Tag bei ALLEN. Ob improvisiert wie beim Knalltheater, lautsprecherverstärkt wie bei Ernest Magnifico oder selbst ohne Lautverstärkung bei Schauspielerin und Jongleurin Daniela Mitterlehner. Jede Show hatte ihr Publikum. Die Hüte der Künstler füllten sich mit Münzen und Scheinen.

Zuschauer waren aufgrund der Radiobeiträge, die die Straßentheatertage ankündigten, unter anderem MDR Kultur, oder der Presseankündigungen oder/und der wenigen Plakate, gezielt gekommen um die eine oder andere Show zu sehen. Andere wurden überrascht, blieben stehen und sich unterhalten. In der Innenstadt war einfach alles da was sich die Phantasie an unterschiedlichen Erscheinungsformen bei Menschen vorstellen kann. Und so unterschiedlich die Passanten, so bunt und vielfältig waren auch die Shows. Als würden diese die Diversität der Zuschauer in einem noch farbenfrohen Licht spiegeln.

Ein besonderes Event war die Aufführung der Gruppe vom Laden Selbst&Los unter der Leitung der Dramatherapeutin Lisa Pawula. Mit ihrer Performance Elysium zeigten sie eine politisch-kritische Gesellschaftssatire, die sich gegen Fakennews und umweltzerstörendem Konsum richtete. Zweifellos die ungewöhnlichste Aktion des Tages, die jedoch ein ebenso großes Publikum fand. Ernest Magnifico, der stark an imaginäre Computerfigur SuperMario erinnerte, brachte am Schluss nochmal hunderte Leipziger mit seinem derben Humor zum Lachen, ebenso wie zuvor Zipano, dann endete auch der zweite Tag.
Das Wetter war sonnig-warm.

Der dritte Tag Sonntag

Am Rennbahnweg, am dortigen Spielplatz, gerade frisch saniert, fanden sich Scharen von Kindern und Eltern am Vormittag zu der Clownshow Concerto Grande und zu Kompanie Sipo. Der Rennbahnspielplatz strahlte, die Kinder riefen: Nochmal!! und die Eltern machten Fotos mit ihren Handys. Die Werbung funktionierte, das Wetter war wieder auf unserer Seite und die Künstler waren, trotz der Einfachheit des Festivals glücklich und zufrieden.

Die 13.Leipziger Straßentheatertage durften im Corona-Jahr 2020 stattfinden und bemalten dieses insgesamt gefühlt trübe Jahr mit reichlich lebendigen Farben.

Danke an das Kulturamt Leipzig. Danke an den LATS. Danke an die Helfer, Künstler und begeisterten Zuschauer!! Danke an den Wettergott!


2019 fanden die Leipziger Straßentheatertage nicht statt


Rückblick 12.Straßentheatertage

Die 12. Leipziger Straßentheatertage fanden vom 7. bis 9.Juni 2018 im Zeitraum 15 bis 18 Uhr auf dem (erstmalig) Augustusplatz (Gewandhausseite) und in der Innenstadt (Petersstraße/Grimmaische Straße) statt und am 10.Juni 11 Uhr mit einem Kinderprogramm im Clara-Park

Bericht über die 12. Leipziger Straßentheatertage
Heiße Pflaster, schwitzende Künstler und glückliche
Passanten

Von Tapferen, die der Sonne trotzen
Die im Vorfeld mit kleineren konzeptuellen Änderungen vorgesehenen
Straßentheatertagen sahen in diesem Jahr einen Hauptspielort vor: der Augustusplatz auf
der Gewandhausseite, geschmückt mit einem eigens dafür aquiriertem Coffeestand.
Aufgrund eines Zugausfalles verzögerte sich die Eröffnung mit den Hofnarren aus Halle
um eine halbe Stunde, was jedoch, außer den Medien (MDR-Sachsenspiegel und LVZ)
niemand auffiel, da sich weder zur geplanten Eröffnung um 15 Uhr, noch eine halbe
Stunde später eine große Menge an Interessierten versammelte, denn es war einfach zu
heiß. Die Hofnarren eine Theatergruppe mit Spielern aus dem Förderwohnheim
Akazienhof trotzten der Hitze, schlüpften mutig in ihre Plastikkostüme und spielten ihr
Stück „Vögel füttern Menschen füttern Vögel“ unter widrigsten Bedingungen vor rund zehn
Zuschauern durch, etwas chaotisch, aber konsequent.
Zur Belohnung ging es dann für die Gruppe in den Schattenbereich, da nämlich hatte sich
schon das Duo Four String Company bereit gemacht für ihre musikalisch, akrobatische
Performance zum Thema Zweisamkeit. Gekonnte Partnerakrobatik mischte sich mit
träumerischen Geigenmelodien zu einer Geschichte die einen Hauch Vagabundenleben,
Freiheit und Sommer versprühten und eine ordentliche Menge an Passanten zum Stehen
und Staunen motivierte.

Widrigkeiten auf der Straße
Schwerer hatten es Komiker Jochen Falk und das Puppetto-Figurentheater aus Bürgel
eine größere Menge um sich zu versammeln. Straßentheater hat seine eigenen Gesetze.
Trotz alledem blieb beim Figurentheater eine gute Handvoll lachender Kinder stehen und
auch der ein oder andere Passant freute sich über die ein oder andere Zote. Zudem
ergänzte das Figurentheater die Farbschatulle der diesjährigen Auflage mit Puppentheater.
Aus Chemnitz reiste die Performancetanzgruppe NARI an, bestehend aus iranischen
Flüchtlingen. Zweimal zeigten sie ihre sehr bewegende Performance, in weißen
Kostümen, fast ohne Musik und bauten nicht, wie die bewährten Straßenkünstler auf
bekömmliche Unterhaltung, sondern setzten sich in ihrer Show mit der Thematik Krieg,
Heimatlosigkeit und Fremde auseinander. Überzeugend, berührend und gekonnt trugen
sie ihre Performance vor und eroberten sich eine respektable Menge in der Passage.
Ebenso wie die auf den Straßen Europas bewährte One-Woman-Company, in diesem Jahr
mit Partner als Kokolores angetretene Künstlerin. Sie lieferte ein Vorzeigebeispiel dafür,
wie man es schafft die Menschen zum Stehenbleiben zu bewegen. Mit Witz, Frechheit und
Charme. Da wird einer Zuschauerin das Eis weggenommen, an geleckt und
weitergereicht, Vorbeilaufende werden lautstark zur Umgehung ihrer mit Warnhütchen
aufgestellten Spielfläche bewogen und mit kleinen Animationen zum Lachen bewegt.
Die Show selbst feierte ihre Premiere und zeigte neben bewährten Klischees
(Bodybuilderposen, konkurrenzstarkes Buhlen um die Gunst der Zuschauer) akrobatische
Einlagen auf dem Kunstrad. Die zahlreichen Zuschauer erlebten täglich die „Grand Tour
de Friends“, französisches Flair und leichte Unterhaltung.

Knutscheinlagen und eine Lampe
Am nächsten Tag bereicherten das Clownduo Compagnie Lapadou und das
Maskentheater Utecht und Philine das diesjährige Programm. Beide waren mit ihrem
Programmen schon bei vergangenen Straßentheatertagen in Leipzig vertreten, aber noch
nie so reif und ausgefeilt wie in diesem Jahr.
Die clownesken Einlagen von Lapadou stimmten bis ins Detail, die Annäherungsversuche
der Clownin an den Clown, das schließlich in einer kindgerechten Knutschorgie endete,
erzeugte bei dem vorwiegend jungen Publikum Lachtränen.
Das Maskentheater Utecht und Philine, zwei mit Larven bestückte Handwerker, die in
einem Zimmer eine Lampe anbringen sollten, hier aber mit Widrigkeiten wie der
Deckenhöhe und den richtigen Umgang mit der Leiter zu kämpfen hatten, holten sich
schließlich Hilfe aus dem Publikum und scharrten während ihrer Show mehr und mehr das
Publikum um ihren mit einem Schlauch abgedeckten Spielraum.
Jochen Falk kämpfte hingegen weiter mit den Zuschauerzahlen und steigerte sich von 5
auf 7 auf individualrekordverdächtige 30.

Furioses Finale
Am Samstagabend gab es dann eine Gala auf dem Hof der Feinkost. Mit „Allerlei
Gaukelei“ betitelt traten die Hauptakteure der diesjährigen Straßentheatertage mit
Auszügen aus ihren Shows auf und sorgten für einen witzigen, abwechslungsreichen und
kurzweiligen Abend vor über 120 Zuschauern, die dann entweder aufgrund des
einsetzenden Starkregens oder vor Ergriffenheit gar nicht mehr gehen wollten.
Ihre Begeisterung zeigten diese in dem gut gefüllten Hutgeld, das auf der Straße allerdings
in diesem Jahr recht mager ausfiel.
Märchenerzählerin Ilonka Struve sorgte dann am Sonntag im Park für über 80 verzauberte
Kinder- und Familienaugen. In ihrem Schlossmärchen bricht die Prinzessin mit der Etikette
der Adligkeit und besucht zum Entsetzen ihrer Eltern eine Schule. Begeistert hörten die
Kinder dem Märchen zu, die Eltern tönten Geräusche wie Schnarchen und Staunen mit
und am Schluss durften die Kinder die historischen Kostüme anprobieren.
Ein überaus gelungener Abschluss.

Freude über Chaos
Summasummarum war die 12.Auflage gelungen. Etwas chaotisch zwar, weil die geplanten
Orte und zum Teil auch deren Zeiten den gegebenen Umständen angepasst wurden, was
es für den gezielt suchenden Passanten schwer machte.
Dafür gab es mit der Gala einen grandiosen Abschluss, ebenso mit dem Kinderprogramm
am Sonntag.
Es gibt so Vielen zu danken. Alle voran den aufopferungsvollen Helfer wie Jule, Marie,
Joana, Nathanael, Vreni und Anja, der Moritzbastei für die Bereitstellung eines Raumes für Umzüge, Sisu
vom Kinderbuchladen Serifee für ihre spontane Unterstützung der GALA, Sindy von den
Cammerspielen für die Bereitstellung einer Unterkunft, der Firma Kronfink für ihren
kostenlosen Druck und ihrer schnellen Loyautgestaltung, der Feinkostgenossenschaft,
allen Unterstützern auf Visionbakery, dem Büro für Darstellende Kunst Sachsen e.V. und
vielen vielen mehr.

Die Gruppe Flamingogeschwader 63 bei ihrem poetischen Auftritt. Foto: Maximilian Enderling

Impressionen von Hannes Fuhrmann

Kommentare

  1. 16. Leipziger Straßentheatertage 2023
    Künstler aus der Region und aus Europa kommen in der Leipziger Innenstadt zusammen, um das gemeinsame Ziel, die Passanten zum an- und innehalten zu bewegen. In diesem Jahr wird es so international wie noch nie. Aus Israel kommt der Straßentheaterstar Gilad Shabtay mit seinem prämierten Ein-Mann-Zirkus. Aus Südkorea kommt der Magier und Mime Jisu Park in der Rolle des Charming Jay und German als Mr. Copini aus Chile mit seiner international prämierten Show „The Herock“. Diese Stars spielten in über 30 Ländern und wurden mit unzähligen Preisen ausgezeichnet. Nun sind sie vom 14. bis 16.September zwischen 15 bis 18 Uhr in der Leipziger Innenstadt zu erleben. Clownesk wird es mit der Compagnie Lapadou, die kurze Szenen um das Motto „(N)Irgendwo allein“ präsentieren, und Maskenkünstler Sebastian Utecht als Labaaz Theater bringt mit seiner Wäscheleinenshow „Home ?“ eine andere, seltene Farbe auf die Straßen. Die Gruppe Spielbande vom Leipziger Bündnis gegen Depression zeigt das Märchen „Vom Fischer und seiner Frau“ und Improvisationstheater wird es geben. Am 17.September um 11 Uhr kommt Ilonka Struve mit ihrem Märchenmitmachtheater auf die Feinkost. Gefördert vom Cityfond Leipzig und dem Landesamateurtheaterverband Sachsen e.V. sind die Leipziger Straßentheatertage attraktiv besetzt und werden die Passanten und Besucher zum Staunen und Lachen bringen.
    Startdatum: 14. September 2023
    Enddatum: 17. September 2023
    Uhrzeit: zwischen 15 und 18 Uhr
    Ort: Leipziger Innenstadt (Petersstraße, Grimmaische Straße, Klarapark)

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